Die Gremien der Verhandlungspartner haben grünes Licht für den Übergangs-GAV Schreinergewerbe gegeben. Bildmontage: Shutterstock, VSSM
Die Parteien haben sich geeinigt. Erklärt der Bundesrat die zwei Regelwerke für die Schreinerbranche für allgemeinverbindlich, gelten 2022 der bisherige GAV Weiterbildung und Gesundheitsschutz sowie ein optimierter, arbeitsrechtlicher Übergangs-GAV.
Noch vor einem Jahr herrschte grosse Uneinigkeit zwischen den Verhandlungsdelegationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Besonders ein von den Gewerkschaften gefordertes Vorruhestandsmodell für die gesamte Schreinerbranche sorgte letztlich per 1. Januar 2021 für einen vertragslosen Zustand.
Zwei Verträge ausgehandelt
Die Durststrecke ohne gültige Gesamtarbeitsverträge scheint nicht allzu lange zu dauern. Nach Aufforderung durch die VSSM-Delegierten und der Bereitschaft der Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter zur Wiederaufnahme der Verhandlungen konnte in den vergangenen drei Monaten die beiden Regelwerke vorbereitet werden. Dabei handelt es sich um den bekannten und unbestrittenen GAV Weiterbildung und Gesundheitsschutz. Um diesen per 1. Januar 2022 mit einer Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) durch den Bundesrat einzuführen, braucht es aber auch einen arbeitsrechtlichen GAV. Dieser als Übergangs-GAV 2022 bis 2025 vorgesehene Vertrag war ebenfalls bis Mitte Oktober bereit, um ihn den zuständigen Gremien des VSSM und den Gewerkschaften Unia und Syna zur Abstimmung vorzulegen.
Ein klares Ja der VSSM-Delegierten
Seit wenigen Tagen ist nun das Resultat der Abstimmungen bekannt. Die Delegierten des VSSM haben auf dem schriftlichen Weg der Wiedereinführung des unveränderten GAV Weiterbildung und Gesundheitsschutz und der Genehmigung des Übergangs-GAV 2022 bis 2025 mit einem deutlichen Ja-Anteil von je rund 98 Prozent zugestimmt. Die Gremien der Gewerkschaften Unia und Syna haben ebenfalls beide Vertragswerke im Rahmen ihrer Berufskonferenzen genehmigt.
Für Mitgliedsbetriebe des VSSM gelten die Gesamtarbeitsverträge ab 1. Januar 2022. Die Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) durch den Bundesrat verzögert sich jedoch, weil zwei Einsprachen eingegangen sind. Erst wenn diese AVE erolgt ist, werden auch die Vollzugs- und Kontrolltätigkeiten wieder aufgenommen.
Gesamtarbeitsvertrag bringt Stabilität
Die Vertreter des VSSM-Zentralverbands zeigten sich in einer ersten Reaktion erfreut über das klare Abstimmungsergebnis der Delegierten. «Der ausgehandelte Übergangs-GAV schafft wieder Rechtssicherheit, Berechenbarkeit und Stabilität», betonte Josef Popp, Mitglied der VSSM-Verhandlungsdelegation. Für ausländische Firmen kämen somit wieder die Mindestlöhne und die arbeitsrechtlichen Bestimmungen des GAV zum Tragen. Josef Popp freut sich besonders für die Mitarbeitenden in Weiterbildung, deren volle Unterstützungsfinanzierung nun wieder gewährleistet ist. «Die Reaktivierung der paritätischen Arbeit im ganzen GAV-Gebiet und die Sicherung der damit zusammenhängenden Förderungsgelder lagen uns besonders am Herzen.»
Keine Zusatzbeiträge werden erhoben
Erfreut werden auch die VSSM-Mitgliedsbetriebe reagieren. Mit der Wiedereinführung des GAV Weiterbildung und Gesundheitsschutz und der Genehmigung des Übergangs-GAV 2022 bis 2025 werden nämlich die von den Delegierten im Juni 2021 als Folge des vertragslosen Zustandes beschlossenen Zusatzbeiträge «Sonderbeitrag VSSM» und «Maek Plus» ab dem Jahr 2022 hinfällig.
Zur Orientierung der Mitgliedsbetriebe und deren Mitarbeitenden hat der VSSM einen Brief sowie einen Informationsflyer erstellt und verschickt. Mit dieser Massnahme und den Informationen über die anderen Kommunikationskanäle wird möglich gemacht, dass alle Branchenteilnehmenden über die wichtigen Fakten aus erster Hand erfahren.
Alle bereits erschienen Artikel zu den GAV-Verhandlungen sind in diesem Dossier der SchreinerZeitung gesammelt.
Patrik Ettlin
Klares Ja zum Übergangs-GAV 2022 bis 2025:
Die Änderungen auf einen Blick
Der optimierte und verbesserte Übergangs-GAV, der mit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung für die Jahre 2022 bis 2025 gültig ist, beinhaltet einige Optimierungen und Anpassungen. Nachfolgend die Änderungen auf einen Blick:
- Neu können bis 120 Mehrstunden auf das Arbeitszeitkonto übertragen werden.
- Neu kann die Zentrale Paritätische Berufskommission (ZPK) Gesuche um eine auf Dienstag bis Samstag verteilte wöchentliche Arbeitszeit bewilligen (Ladenbau und Einzelpersonen).
- Neu können die Betriebe im Einverständnis mit den Arbeitnehmenden den Zeitraum der Nachtarbeit zwischen 22 und 5 Uhr festlegen.
- Neu ist der Prämienanteil der Krankentaggeldversicherung der Arbeitnehmenden gemäss Bundesgerichtsentscheid festzulegen (effektiver Prämiensatz bis maximal 1,5 % des Lohnes, Aufschub Leistungsbeginn Krankentaggeld bis zu maximal 60 Tagen).
- Neu liegt der Lohn beim Militärdienst während Kaderschulen und Abverdienen bei 80 % des effektiven Lohnausfalls.
- Neu ist der Vaterschaftsurlaub gemäss Art. 329g des OR geregelt: Voller Lohn für die Dauer von zwei Wochen (10 Arbeitstage bei 100 % Beschäftigungsgrad), Entschädigung der Erwerbsersatzordnung (80 %) steht dem Arbeitgeber zu.
- Neu ist ein Gespräch erforderlich vor einer Kündigung eines Mitarbeitenden, welcher zehn Jahre oder näher vor dem ordentlichen Pensionierungstermin steht.
- Konventionalstrafen bei Verletzung des GAV: Kriterien und Höhe der Bussen sind erhöht worden.
- Der Artikel «Absichtserklärung vorzeitige Pensionierung» wurde gestrichen.
- Die Mindestlöhne für gelernte Berufsleute wurden um 1 % erhöht (ausgenommen sind Berufsleute mit Berufsattest EBA und ungelernte Arbeitnehmende).
- Betrieblicher Geltungsbereich: Die Zentrale Paritätische Berufskommission (ZPK) kann Ausnahmen beschliessen.
- Personeller Geltungsbereich: Bestimmte Funktionen wie Systemtechniker, IT- und Netzwerkspezialisten oder PC-Supporter sind nicht mehr dem GAV unterstellt.