Die Unternehmerinnen und Unternehmer haben sich beim Runden Tisch in Gruppen zu verschiedenen Themen ausgetauscht. Bild: VSSM
16 Betriebe beteiligen sich am Pilotprojekt des VSSM und der Fachstelle UND zum Thema Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. In allen Unternehmen wurden Analysen und Mitarbeitendenbefragungen durchgeführt. Zur Halbzeit trafen sich die Beteiligten zum Runden Tisch in Wallisellen ZH.
Es läuft gut, dennoch gibt es einiges zu tun: 16 unterschiedlich grosse Schreinereibetriebe aus der Deutschschweiz beschäftigen sich intensiv mit dem Thema Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Vergangenen Sommer hat der Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten (VSSM) das Pilotprojekt mit der Fachstelle UND lanciert. Am 23. Januar 2024 haben sich die Unternehmerinnen und Unternehmer zum zweiten Mal am Hauptsitz des VSSM in Wallisellen ZH getroffen. Beim Runden Tisch wurden die Ergebnisse präsentiert und verglichen. «Ihr seid gut unterwegs und in vielen Punkten nicht weit vom Prädikatsniveau UND entfernt», sagte Beraterin Anna Kilchenmann.
Die Fachstelle hat im letzten halben Jahr in jedem Betrieb Analysen und eine Mitarbeitendenbefragung durchgeführt. «Zwei Dinge sind mir dabei aufgefallen», sagte Berater Tobias Oberli. «Männer haben ihre Betriebe kritischer eingeschätzt, was die Möglichkeit von Teilzeitarbeit sowie die Unterstützung betreffend Elternschaft angeht.» Nur 59 Prozent der Mitarbeiter hätten angegeben, in diesen Punkten von ihrem Betrieb unterstützt zu werden. Bei den Frauen waren es 95 Prozent.«Da besteht ein gewisser Handlungs- und Sensibilierungsbedarf.»
Viele sind mit dem Lohn zufrieden
Oberli zeigte verschiedene Ergebnisse der repräsentativen Umfrage auf (300 Antworten und eine Rücklaufquote von 47 Prozent): 40 Prozent aller Befragten gaben zum Beispiel an, regelmässig ungewollt länger arbeiten zu müssen. 53 Prozent sagten, bei der Arbeitsplanung mitbestimmen zu dürfen und 35 Prozent fanden, dass das Lohnsystem nicht transparent sei. 60 Prozent sind mit dem Lohn jedoch zufrieden beziehungsweise finden diesen angemessen. Auch wichtig: 66 Prozent aller Befragten gaben an, dass in ihrem Betrieb Diskriminierung nicht toleriert werde. Und 40 Prozent meinten, dass sie bezüglich Aus- und Weiterbildung zu wenig gefördert werden.
In Gruppen haben sich die Unternehmerinnen und Unternehmer zu Lohntransparenz, Diskriminierung sowie der Möglichkeit von Vereinbarkeit/Teilzeit für Führungspersonen ausgetauscht und dann im Plenum präsentiert. Dabei kamen wertvolle Ideen und Vorschläge zusammen.
Die Mitarbeitenden arbeiten an Aktionsplänen mit
Als nächstes arbeitet die Fachstelle UND mit den Betrieben Aktionspläne aus. Dies geschieht in den Schreinereien und mit Einbezug von Mitarbeitenden. Im Frühsommer ist ein weiterer Runder Tisch geplant. VSSM-Direktor Daniel Furrer war vom Nachmittag beeindruckt: «Toll, wie in den Gruppen gearbeitet wurde und wie sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer offen und mit Vertrauen begegnen.» Für den Verband sei dieses Pilotprojekt wichtig und spannend. «Es geht darum, praxistaugliche Lösungen zu finden, damit wir unsere Leute in der Branche halten können. Zudem ist es wichtig, dass die Schreinerbranche in der Öffentlichkeit positiv wahrgenommen wird». Und die Ergebnisse lieferten zudem wichtige Erkenntnisse für die baldigen Verhandlungen mit den Sozialpartnern für einen neuen Gesamtarbeitsvertrag.
Bereits wertvolle Erkenntnisse gewonnen
«Eine Selbsteinschätzung stimmt nicht immer mit dem überein, was die Mitarbeitenden denken oder sagen», meint Jürg Rothenbühler, der mit seiner Frau Daniela die Schreinerei Rothenbühler AG in Zollbrück BE führt. «Deshalb ist eine Mitarbeitendenumfrage eine sehr gute Sache. Man sollte regelmässig eine solche durchführen, nicht nur im Rahmen dieses Projektes.» Er denke daher, dass er in zwei Jahren in seinem Betrieb erneut eine Umfrage starten werde. Das ist eine der bisher wichtigsten Erkenntnisse für ihn. Es gibt mehrere Punkte, die Rothenbühler anders als seine Angestellten eingeschätzt hat. Zum Beispiel die Thematik, ob Diskriminierung im Betrieb geduldet wird, ob Witze auf Kosten einer Gruppe gerissen werden, und dass dies nicht alle gut finden. «Ich hatte das Thema nicht auf dem Radar, da wir einen guten Umgang haben.»
In den Gruppengesprächen des Runden Tischs hat der Emmentaler des Weiteren bemerkt, dass es in seinem Betrieb keine vertrauliche Ansprechperson für die Mitarbeiterinnen gibt. Denn nicht alle wollten mit einem Problem zum Chef und sich lieber an eine andere Frau wenden. «Das sind wichtige Details. Auch setzten wir im Betrieb schon viele Dinge um oder leben sie, aber es fehlt etwas Schriftliches, wie zum Beispiel, dass Diskriminierung keinen Platz hat oder das Thema Unterstützung bei Weiterbildungen. Das möchte ich nun angehen», bilanziert Rothenbühler. Die Teilnahme am Pilotprojekt lohnt sich für ihn. «Schön ist, feststellen zu können, dass wir und auch die anderen teilnehmenden Betriebe betreffend Vereinbarkeit schon gut unterwegs sind. Solche, die es nötiger hätten, sind halt leider nicht dabei.»
Viele Finessen führen zu besserem Gesamtbild
«Ich habe schon einige Anliegen gefunden, die wir im Betrieb ändern sollten», sagt Enrico Wieland, Geschäftsleitungsmitglied der Schreinerei Wieland AG in Zürich. Es geht dabei vor allem um Finessen, die zu einem besseren Gesamtbild des Unternehmens im Bereich Vereinbarkeit führten. «Wir haben bereits einige Teilzeitmitarbeitende bei uns. Es geht aber auch um spezifische Inputs, welche zusammengefügt ein schlagfertiges Argument für eine attraktive Arbeitsstelle ergeben.» In der Befragung der Angestellten konnte er die Ergebnisse gut nachvollziehen. Er sei beruhigt, dass die Mitarbeitenden es schätzen, dass sich das Unternehmen bezüglich Teilzeit- oder Weiterbildungsmöglichkeiten engagiert. Das Feedback seiner Leute zur Teilnahme am Pilotprojekt falle positiv aus, sagt Wieland. «Ich finde auch, dass es sich lohnt, seinen Betrieb zu diesem Thema zu analysieren. Interessant ist, dass es ein branchenspezifisches Projekt ist und somit alle die gleichen Voraussetzungen haben. Wir liefern uns gegenseitig wertvolle Inputs.»
Rahmenbedingungen für Löhne und gegen Diskriminierung schaffen
«Wir werden bestimmt das Thema Lohntransparenz angehen und ein Lohnsystem entwickeln, damit alle Mitarbeitenden wissen, wo sie stehen und was für sie möglich ist. Dazu sollen Faktoren definiert werden, wie die Leistung beurteilt wird», sagt Tobias Scheuber, Geschäftsführer der Trewag AG in Effretikon ZH. Zudem werde er das Thema Diskriminierung schriftlich erfassen. Dieses sei in der Befragung von einer Person erwähnt worden. «Diese Themen gehören einfach in die Rahmenbedingungen des Unternehmens. Es muss allen klar sein, wo die Grenzen sind. Das haben wir noch nicht.» Grundsätzlich hätten die Mitarbeitenden gute Rückmeldungen gegeben. Scheuber ist vom Pilotprojekt überzeugt. «Es lohnt sich sehr, dabei zu sein.»
Nicole D'Orazio